Wunderbäume im Nerz

Es war ein unfreundlich-kalter Jännertag, als eine Dame mit ihrem Volkswagen in die Tankstelle im steirischen Kalsdorf bog, um zunächst verzweifelt zu versuchen, ihr Fahrzeug so an die Seite der Zapfsäulen zu manövrieren, dass der Tankdeckel auch an der den Benzinschläuchen nächst gelegenen Seite lag. Womit sie aus unerfindlichen Gründen allerdings kläglich scheiterte. Um schließlich aus dem Auto zu klettern und mit reichlich linkischen Bewegungen zu versuchen, den Schlauch, der sich instinktiv zu wehren schien, irgendwie um das Fahrzeug herumzufädeln und den Zapfhahn so doch noch in den Einfüllstutzen führen zu können.

Zunächst belustigt, dann schon mitleidig, beobachtete der Tankstellen-Besitzer den Auftritt der Kundin. Und eilte ihr pflichtbewusst zur Hilfe.

Doch selbst ist die Frau! „Ich brauch Ihre Hilfe nicht! Ich kann mir schon selbst helfen!“

Ein Ehepaar, dessen Volvo Seite an Seite mit dem Volkswagen der Tankschlauch-Dompteuse geparkt war, wurde Zeuge des kurzen, aber bestimmten Dialogs. Der Volvo-Fahrer in einem eleganten Smoking, seine Beifahrerin in einem sündteuren Nerzmantel, der schützend und wärmend eine seidene Abendrobe bedeckte.

Wenige Minuten später kommt der Volvo-Besitzer, der soeben bezahlt hat, aus dem Tankstellen-Shop, als die Ereignisse sich überschlagen:

Seine Gefährtin flötet ihm vom Beifahrersitz durch das heruntergelassene Fenster zu: „Bist du schon fertig, Schatzi?“ Im gleichen Moment zieht die Volkswagen-Fahrerin den Zapfhahn aus dem Einfüllstutzen ihres Wagens und setzt erneut an, den widerspenstigen Schlauch zu bändigen. Dabei drückt sie versehentlich noch einmal auf den Zapfhahn, den sie fatalerweise so in Anschlag gebracht hat, dass sich ein dicker und nicht enden wollender Benzinstrahl durch das offene Seitenfenster und über die Dame im Nerz ergießt. Die minutenlang völlig fassungslos und wie gelähmt einfach nur dasitzt, während die Volkswagenfahrerin in den Shop geht, bezahlt, sich über den „defekten Zapfhahn“ mokiert und unbeeindruckt davonbraust.

Endlich, nach einer kleinen Ewigkeit, steigt die Nerz-Dame aus dem Volvo, stakst auf ihren hohen Stöckelschuhen in den Tankstellen-Shop, um sich benzintriefend vor dem Chef aufzubauen und, die Hände in die Hüften gestützt, zu fragen: „Und, was soll ich jetzt tun? Was, um Himmels Willen, schlagen Sie vor?“

Der Tankstellen-Unternehmer gibt ihr den wohlmeinenden Rat, doch nach Hause zu fahren, sich umzuziehen und ihre stark in Mitleidenschaft gezogene Garderobe einer Putzerei anzuvertrauen. Doch die Dame denkt nicht daran: „Glauben Sie, dafür habe ich mir eigens einen Nerz gekauft? Glauben Sie, ich gehe heute ohne Nerz in die Oper? Nein, den Nerz lass ich an!“

Und während der Begleiter der begossenen Pelzlady betreten im Hintergrund bleibt, sich wohlweislich nicht einmischt, kann der Tankstellen-Chef sich nicht mehr länger halten, bricht in schallendes Gelächter aus und meint: „Dann hilft nur noch ein Wunderbaum.“ Worauf die Nerz-Dame ungerührt sagt: „Dann geben’S mir gleich zwei!“

Die Loge in der Oper wird sie wohl für sich allein gehabt haben.
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